Der hl. Joseph, der schweigsame Heilige

19.3.1987, Loreto

Der hl. Joseph war ein Stiller im Lande, ein nachdenklicher, besinnlicher, nach innen gekehrter Mann, von dem uns in den Evangelien kein Sterbenswörtchen aufgezeichnet ist.

Sogar der Apostel und Evangelist Matthäus, den wir mit Recht den „Evangelisten des hl. Joseph“ nennen könnten, weil er in seinem Evangelium das Bild des hl. Joseph mit besonderer Liebe ausgemalt und ihn als Hauptperson in der Kindheitsgeschichte Jesu geradezu in den Mittelpunkt gerückt hat, weiß kein einziges Wort vom hl. Joseph zu berichten. Die beiden Evangelisten Mt. u. Lk. erwähnen den hl. Joseph nur dort, wo der menschgewordene Sohn Gottes, das göttliche Kind in Gefahr war und ihm etwas zustoßen sollte: bei der Herbergsuche in Bethlehem (Lk 2,4-7); beim Anmarsch der Häscher des Königs Herodes, bei der Flucht nach Ägypten (Mt 2,13-18) und beim Tempelbesuch in Jerusalem (Lk 2,41-50). Es sind lauter Stellen, wo es nicht auf viele Worte und lange Reden ankam, sondern auf das Handeln. Da zeigte es sich sehr klar und eindringlich, dass der hl. Joseph kein Mann des vielen Redens, sondern ein Mann der Tat und der Innerlichkeit war: schweigend ging er in diesen Situationen – bei der Herbergsuche in Bethlehem, bei der Flucht nach Ägypten, beim Suchen nach dem 12jährigen Jesusknaben, mit sich zu Rate; lauschte auf die innere Stimme des Gewissens oder auf die Botschaft des Engels, der ihm erschienen war, dann gehorchte er und handelte.

So ging er sicher auch schweigsam, aber gewissenhaft an seine Berufsarbeit heran. Der Zimmermann Joseph redete nicht lange über das, was er in seinem Beruf, bei der Ausführung der erhaltenen Aufträge, zu tun hatte, er verstand seine Arbeit und hatte Freude an ihr, sie war ihm nicht harter Frondienst.

Nicht ein lästiges Muss, nicht ein widerwärtiges Joch; er wusste darum, dass ihm die solid ausgeführte Arbeit als Zimmermann den nötigen Lebensunterhalt für sich und die ihm anvertrauten heiligsten Personen einbrachte: Das genügte ihm, damit war er zufrieden: still tat er, was er zu tun hatte.

Der schweigsame Heilige

1. Bei der Herbergsuche. Er jammerte nicht, er klagte nicht über die Härte und Lieblosigkeit der Menschen in Bethlehem, er suchte nach einem Zufluchtsort für Maria und das erwartete göttliche Kind. Er ging dann an die Arbeit und machte aus dem leerstehenden Raum das Beste, was daraus zu machen war: er säuberte und reinigte diese Stätte, er schwieg und war mit der getroffenen Notlösung zufrieden in der Überzeugung, dass es so der Wille Gottes war. Und wie dann das große, heilige Geschehen der Geburt des Gottmenschen erfolgt war und Maria das göttliche Kind in die Krippe gelegt hatte, kniete der hl. Joseph daneben nieder und hielt die erste Anbetungsstunde vor dem Allerheiligsten.

2. Bei der Flucht nach Ägypten: Nachdem Joseph erfahren hat, dass König Herodes dem göttlichen Kind nach dem Leben trachte, da fragte der hl. Joseph nicht lange, warum das alles nun so kommen sollte. Er hielt sich an den Auftrag des Engels: „Nimm das Kind und seine Mutter!“, er stand auf, gehorchte und tat, was ihm befohlen worden war: schweigend gehorchte er und handelte.

Das gleiche Verhalten zeigt der hl. Joseph wieder bei der Rückkehr aus Ägypten nach Nazareth: Kein Wort der Freude darüber, weil es nun wieder heimwärts ging, noch weniger ein Wort der Klage über den weiten, beschwerlichen Weg, der nun wieder zurückzulegen war, er tat, was ihm aufgetragen war; er gehorchte und handelte.

3. Und bei der Wallfahrt nach Jerusalem mit dem 12jährigen Jesusknaben, der auf dem Heimweg verlorengegangen war. Von Maria wird uns beim Wiederfinden des Jesusknaben im Tempel ein Wort überliefert, mit welchem sie ihrem bangen, leidvollen Suchen Ausdruck verleiht: „Kind, warum hast du uns das angetan? Dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht!“ Gewiss war auch ihm, dem hl. Joseph, das sorgenvolle Suchen nahegegangen: aber er äußerte sich nicht darüber, nur Maria tat dies. Joseph schwieg, er dachte sich wohl nur seinen Teil. Und als der Jesusknabe fast vorwurfsvoll sagte: „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr denn nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“, da begehrte der hl. Joseph nicht etwa tadelnd auf und sagte etwa: „Ist das der Dank für all meine väterliche Liebe und Sorge, die ich dir in den zurückliegenden 12 Jahren entgegenbrachte, dass du mir nun gleichsam meine Vaterwürde dir gegenüber absprichst und nur noch den himmlischen Vater gelten lässt?“ Nein, der hl. Joseph schwieg auch da und dachte sich sicher nur: „Du hast ja recht; ich bin ja gar nicht dein leiblicher Vater, und ich habe es ja gar nicht verdient, die Stelle des himmlischen Vaters an dir zu vertreten!“

O, dieses schweigende Bejahen des Willens Gottes sollten wir vom Hl. Joseph lernen und die Tatsache, dass es, um auf dem Weg zur Vollkommenheit und Heiligkeit voranzukommen, nicht auf viele Worte ankommt, sondern nur auf die treue, gehorsame Erfüllung des Willens Gottes in schweigendem Gehorsam. Nicht klagen und jammern und hadern mit Gott und seinen Schickungen, Fügungen und Heimsuchungen; sondern tun, was Gott fordert und verlangt und in schweigendem Gehorsam zeigen, dass man Gott wirklich liebt, auch dort, wo er Rätsel aufgibt, die nur schwer zu lösen sind. Amen.